Mittwoch, 11. April 2007

Wie viel Privatsphäre gönnen wir uns noch im Web?

Noch vor wenigen Jahren hatten viele Leute extrem Mühe mit elektronischen Zahlungsmitteln. Ich erinner' mich noch an den Spätsommer 2000, als ich nach einem halben Jahr USA zurück nach Deutschland gekommen bin und einen neuen Rechner kaufen wollte: ich konnte weder mit Kreditkarte noch mit EC bezahlen. Kein Cash-Back an der Kasse. Das brauchen wir nicht war die Antwort. In den USA hatte ich ein halbes Jahr lang jeden noch so kleinen Einkauf im Supermarkt mit meiner Visa bezahlt.

Angst vor dem gläsernen Menschen? Auch heute stehen viele neuen Technologien wie RFID skeptisch gegenüber.

Aber was passiert tagtäglich im Web2.0?

Käufer- / Bewertungsprofile:
Dass Amazon und eBay auf Unternehmensseite unser Käuferprofil kennen ist klar. Aber auch ich als 'fremder' kann mir ziemlich schnell ein Bild von jemandem machen: was kauft und verkauft eine bestimmte Person auf eBay beispielsweise. Wie vertrauenswürdig ist jemand als Handelspartner? Leicht zu erfahren.

Blogging, Flickr, del.icio.us:
Auf Blogs wird in den meisten Fällen über ein bestimmtes Thema geschrieben und diskutiert. Ich erfahre also ziemlich schnell, womit sich eine Person gerne beschäftigt. Ähnlich bei Flickr: bei einem exzessiven Flickr Nutzer weiss ich am Montag, was er am Wochenende gemacht hat, was seine Hobbies sind und kenne vielleicht sogar seine Familie vom Bild her. Und werden die Bilder ge-Geo-tagged, weiss ich sogar wo exakt sich die Person aufgehalten hat. Mit del.icio.us erfahre ich dann in der Regel noch weitere Details, welche Seiten im Internet häufig besucht werden, vieleicht sogar den Sportverein oder bevorzugte Marken.

Social Networks:
Mit wem ist eine Person zur Schule gegangen, wer sind die heutigen Kontakte. Social Networks geben viel Auskunft über die Vergangenheit einer Person, aber auch über das momentane Umfeld. Welche beruflichen Kontakte werden gepflegt. Was ist der berufliche Hintergrund bzw. was macht eine Person momentan beruflich. Hier werden die meisten Kontakte nach aussen ge(ver)knüpft. MySpace, Facebook, StudiVZ, Xing, LinkedIn und wie sie alle heissen...

Mitterweile habe ich also schon ein ziemlich ausgeprägtes Bild meines 'Gegenübers'. Was kauft und verkauft er, womit beschäftigt er sich und was interessiert ihn. Wen kennt er? Was ist sein Hintergrund? In Text und Bild, und in Domainnamen. Jetzt fehlt noch der momentane Gemütszustand und wo er sich aufhält.

Microblogging / Geo-Lokalisierung:
Twitter, Jaiku und Texteln machen es möglich. Egal ob ich gerade online (dann per IM, Formular oder Client) oder offline (dann per SMS) bin, ich habe ständig die Möglichkeit mitzuteilen was ich gerade mache, ich tun möchte, mich bewegt oder wo ich mich gerade befinde. Die Welt liest mit. Und ich weiss, was meine Freunde tun. Ist man zusätzlich gerade online und nutzt einen Service wie Plazes, ist man bis auf die Hausnummer auffindbar.


Warum schreibe ich das alles?
Heute Nachmittag hatte ich mit einem Kollegen ein Gespräch in eine ähnliche Richtung. Und uns ist aufgefallen, dass wir niemanden kennen der jeden dieser Services so nutzt, dass ein komplettes Puzzle herauskommt. Ein (mehr oder weniger wichtiges) Teil hat immer gefehlt oder war uns nicht bekannt.

Wer outet sich freiwillig?

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es gibt mit Sicherheit einige Leute im Netz, die all diese Dienste nutzen. Nämlich diejenigen, die jeden Trend mitmachen müssen und das möglichst auch noch mit dem gleichen Login für alle Dienste.
In Zukunft können die dann alle Logins mit OpenID verwalten und nur hoffen, dass der OpenID-Anbieter vertrauenswürdig und lange genug am Markt existiert.
Schöner Artikel

Unknown hat gesagt…

Du hast recht... OpenID habe ich komplett vergessen und ausser Acht gelassen. Vielleicht gibts irgendwann mal eine 2te Version...

Vielen Dank für's Feedback!

Anonym hat gesagt…

Ich sehe das größere Problem fast im Verlust von Produktivität. Wenn jeder jederzeit schreibt was er gerade treibt, tut irgendwann niemand mehr etwas Sinnvolles, z.B. Nachricht auf Twitter "Aktualisiere gerade mein facebook-Profil".
Komischerweise beschweren sich die heftigsten Nutzer dieser Online Tools am lautesten, wenn sie über ihre Arbeit Berichte schreiben sollen, das ist dann "Bürokratie".